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Schnupperkurs Biathlon: Wie gut bin ich im Schuss?

Langlaufen und Schiessen – das ist Biathlon. Bekannt wurde die Sportart dank den Glanzresultaten der Schweizer Damenstaffel. Wie fühlt es sich an? Ein Selbstversuch in der Biathlon Arena Lenzerheide in Lantsch/Lenz.

Üben, wo die Biathlon-Weltstars wettstreiten

Es sind unglaublich spannende Szenen: Die letzte Läuferin der Schweizer Biathlon-Frauenstaffel hängt die bislang Zweitplatzierte kurz vor dem Ziel ab und holt zusammen mit ihren drei Kolleginnen den ersten Podestplatz einer Frauenstaffel im Biathlon. «Ein historisches Ergebnis», sind sich die Kommentatoren nach dem Weltcuprennen in Östersund vom Dezember 2019 einig. Die drei Gasparin-Schwestern und Lena Häcki bestätigen ihr Resultat kurz darauf mit einem dritten Platz. Biathlon – Schiessen und Langlaufen – ist plötzlich in aller Munde.

Wie fühlt sich das an? Ich möchte es ausprobieren und melde mich deshalb bei der Biathlon Arena Lenzerheide für einen Schnupperkurs an. Die einzige «Schusswaffe», die ich je in den Händen gehabt habe, war eine Wasserpistole. Auf den Langlaufski habe ich mehr Erfahrung.

Zuerst geht’s direkt an den Schiessstand. 30 vollautomatische Schiessplätze befinden sich in der Arena nebeneinander. Anfänger üben auf der Tafel 30. «Wir schiessen zuerst ohne Ski», sagt Mario Häni. Er ist Teamleiter Facility Management und verantwortlich für die Snowfactory, den tadellosen Zustand der Schiessanlage und Biathlonkursleiter.

Also runter auf die Gummimatte, die den Oberkörper vor der Kälte schützt, wenn man liegend schiesst. Die Gewehre sind aus Holz angefertigt und wiegen bei den Profis mindestens 3,5 Kilo. Obwohl ich Rechtshänderin bin, muss ich den Abzug mit der linken Hand bedienen, da mein linkes Auge ohne Brille viel schärfer sieht als das rechte.

Das macht die Faszination am Biathlon aus

Was mich am Biathlon fasziniert, ist die Vielfalt: Eben haben sich die Biathletinnen auf der Loipe ausgepumpt, dann fahren sie mit Puls 170 in den Schiessstand ein – Stöcke bereits ausgeschlauft –, gehen auf die Knie, ziehen das Gewehr vom Rücken und legen sich hin. Mit ruhiger Hand gilt es danach, fünf Ziele in 50 Meter Entfernung zu treffen. Jedes hat im Liegendschiessen die Grösse des Kartons einer WC-Rolle: 4,5 cm.

Nötig für diese Sportart sind Ausdauer, Kraft, Balance auf den Ski sowie Präzision, Ruhe und Feinmotorik am Schiessstand. Auf diese unterschiedlichen Anforderungen müssen sich die Athletinnen in Sekundenschnelle einstellen. An guten Tagen treffen die Spitzenathletinnen in 20 Sekunden fünf Mal ins Schwarze. Ins Leben gerufen haben den Biathlon norwegische Jäger.

Step 1: Trockenübung ohne Kugel

Ich richte mich bereits so lange auf dem Boden ein, dass der Unterkörper, der auf dem Schnee liegt, das Weiss zum Schmelzen bringt. Ich friere und denke, wie schön es wäre, die Hilfe einer Yogamatte in Anspruch nehmen zu können. «Das linke Bein muss sich in der Verlängerung des Gewehrs befinden», sagt Mario und verschiebt das Bein in die richtige Position. Das Fernrohr ist klasse, ich sehe die schwarze Trefferscheibe gut. Atem anhalten, den Abzug mit einem Widerstand von 500 Gramm langsam ziehen, noch befindet sich keine Kugel im Lauf. Es geht darum, ein Gefühl für den Zeigefinger am Abzug zu entwickeln.

Atem als Knacknuss

«Beine weiter auseinander, Gewehr mit der rechten Hand vorne stützen, durch das Fernrohr den schwarzen Trefferpunkt fixieren», sagt der Kursleiter. Das wichtigste jedoch ist der Atem: Selina Gasparin etwa, eine der drei Gasparin-Schwestern, atmet zwei Drittel aus, ein Drittel Luft bleibt fürs Schiessen in der Lunge. Nach dem Schuss stösst sie jeweils den Rest aus und beginnt von vorne. Mario hat noch eine Empfehlung: «Meist schiessen die Athletinnen von links nach rechts oder umgekehrt, weil das Gehirn zählen und schiessen nicht gut vereinen kann». Verstanden. Ohne Kugel klappt es prima.

Step 2: Probeschiessen scharf

Dann gilt es ernst. Mario klaubt fünf Patronen aus seiner Tasche, ich lege die erste ein. Sobald sie im Lauf steckt, ist das Gewehr scharf. Ich hoffe, dass ich keinen Bogenschuss produziere, der überdie Anlage hinauszischt. Rund 1,5 Kilometer kann eine Kugel fliegen. Auf kürzere Distanzen kann sie tödlich sein. Allerdings müsste ich das Gewehr schon mutwillig hochreissen, um einen Bogenschuss zu produzieren.

Die Scheibe befindet sich 50 Meter entfernt, ich darf auf die Stehend-Scheibe schiessen, die grösser ist als die Liegend-Scheibe. Sie entspricht immerhin schon einer WC-Rolle mit Papier: 11,5 Zentimeter Durchmesser.

Volle Konzentration, Luft anhalten, zielen, Abzug ziehen. Ein Schuss peitscht durch die Landschaft.

Auf der Scheibe regt sich nichts. Kein Treffer! Die folgenden Schüsse gelingen besser, am Schluss taucht bei zwei von fünf Scheiben die weisse Kelle auf – das heisst: zwei Treffer.  Ein Blick auf die Uhr verrät: das Schiessen dauerte 90 Sekunden. Profi-Athletinnen brauchen dafür im Idealfall liegend 20 Sekunden, stehend sogar ein bisschen weniger. «Lässt sich sehen, doch bei der Schnelligkeit gibt es noch Luft nach oben», bilanziert Mario.

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Volle Konzentration, Luft anhalten, zielen, Abzug ziehen. Ein Schuss peitscht durch die Landschaft.

Step 3: Das Ganze mit Langlaufski

Nach diesem kleinen Erfolgserlebnis folgt das Ganze mit Langlaufski. Erstes Problem: Wie hinlegen mit den Latten an den Füssen? Ich versuche es mit dem Yoga-Hund, stütze mich mit den Händen vorne  ab, lasse mich auf die Knie sinken und strecke die Beine aus. Mir ist bewusst, dass dieser Stil in einer TV-Übertragung höchstens in der Rubrik Pech, Pleiten, Pannen ausgestrahlt würde.

Mario weiss Rat: «Die Stöcke vor dem Körper einstecken, um dich abstützen zu können, und dann kontrolliert auf die Knie». Klappt! Auch mit Ski resultieren zwei Treffer, nicht zuletzt aufgrund des Tipps von Mario, das Gewehr langsam von unten in den schwarzen Trefferbereich zu bewegen und sofort abzudrücken, sobald er erreicht ist.

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Laufen, sortieren, schiessen

Nun mache ich mich auf den Weg mit Skiern, 75 Meter weg, 75 Meter zurück zum Schiessstand in flottem Tempo. Mehr braucht es nicht für ein Schnupperschiessen. Die Distanz entspricht einer Wettkampf-Strafrunde von 150 Metern. Diese ist je nach Wettkampfform für jede nicht getroffene Scheibe fällig. Dadurch verlieren die Athletinnen pro Fehlschuss rund 23 wertvolle Sekunden auf die Konkurrentinnen.

Leicht ausser Atem komme ich an den Schiessstand und möchte mich hinlegen. Leider stecken meine Hände noch in den Schlaufen. Unnötiger Zeitverlust! Zusätzlich dauert es, bis ich die Atmung im Griff habe. Wieder resultieren zwei Treffer, diesmal in zwei Minuten. Der Euphoriedämpfer: Würde eine Profi-Athletin gar nicht schiessen und gleich fünf Strafrunden laufen, bräuchte sie weniger Zeit.

Frauen schiessen besser als Männer

Mario spendet Trost: Athletinnen aus der ganzen Welt trainierten jeweils in der Biathlonarena als Erstes am Morgen 15 Minuten: 1. das Gewehr vom Rücken ziehen, 2. sich hinlegen, auf die Scheibe fokussieren und 3. ohne Munition den Abzug bedienen. Alles muss aus einem Guss sein. «Ich erinnere mich an wunderschöne Morgenstimmungen in absoluter Stille – einzig das Klicken der Abzüge der 30 Athletinnen auf den Bahnen war konstant zu hören.» Mario liefert mir einen zusätzlichen Grund für Zuversicht: Frauen schiessen meist besser als Männer, weil sie ruhiger sind. «Männer verfallen oft in Wettkampfstimmung und schludern dann», sagt der ehemalige Skinationaltrainer, der heute auch im OK der Biathlonwettkämpfe in Lenzerheide sitzt.

Die WM 2025 findet in der Biathlon Arena Lenzerheide statt

Biathlon Arena Lenzerheide

Die Biathlon Arena Lenzerheide ist jeweils von Juni bis März offen und bietet neben anderem verschiedene Biathlonkurse an. Aktuelle Infos auch rund um Corona befinden sich auf der Website biathlonarena.ch.

Die Biathlon Arena Lenzerheide ist bei Langläufern bestens bekannt: Alle zwei Jahre ist sie Station der Tour de Ski (Langlauf). Im Dezember 2021 ist sie zusätzlich Gastgeberin der Winteruniversiade – die olympischen Spiele der Studenten. Es gibt noch mehr Grund zur Freude: Die Bündner Gemeinde hat den Zuschlag für die Biathlon-WM 2025 erhalten. Erstmals überhaupt werden damit die Biathlon-Weltmeisterschaften der Elite in der Schweiz ausgetragen.  Auch im Sommer ist die Arena offen. Dann wird das Langlaufen durch Laufen, Scooter fahren oder ein Bike ersetzt. Das Schiessen bleibt gleich.

Step 4: Stehend schiessen

Nun ist Stehendschiessen angesagt. «Hüfte einknicken, Ellenbogen auf dem Hüftknochen fixieren und so das Gewehr stabilisieren», rät Mario.  Nicht empfehlenswert ist das so genannte Jägerschiessen – Gewehr an die Schulter drücken und leicht nach vorne gebeugt feuern. «Das braucht Kraft und Muskeln und verhindert das genaue Fixieren des Ziels.» Pro Runde schaffe ich im gemütlichen Zeitrahmen einen Treffer.

Mit dem guten Gefühl, etwas Neues mit Erfolg ausprobiert zu haben, packe ich meine Langlaufski zusammen, begleitet von der nochmals gestiegenen Bewunderung für die Leistungen der Gasparin-Schwestern sowie Lena Häcki und Co.!

von Silvia Schütz,

veröffentlicht am 17.01.2021


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