Internet Explorer wird nicht mehr unterstützt

Für ein optimales Website-Erlebnis bitten wir dich einen aktuellen Webbrowser zu nutzen.

Regionales – umweltverträglicher und gesünder?

Wir kaufen Produkte aus der Region, weil uns in Zeiten der Globalisierung nicht nur die Kontrolle, sondern auch die Identität abhandenkommt: die Ernährungswissenschafterin und Gesundheitspsychologin Hanni Rützler über den Siegeszug von Nahrung, die aus der Nähe kommt.

Frau Rützler, Sie haben den Frankenburger schon einmal probiert, über den bei seiner Einführung heftig diskutiert worden war. Wie schmeckt künstliches Fleisch?

Überraschend gut, ehrlich gesagt. Ein kulinarisches Highlight war es nicht, aber mit etwas Sauce und ein paar frischen Beilagen macht ein anständiger Koch daraus einen guten Hamburger. Den liesse ich mir vermutlich unterjubeln, ohne etwas zu merken.

Ist es das, was uns in Zukunft erwartet? In-vitro-Nahrung, die täuschend echt aussieht und schmeckt?

Ich denke nicht, dass sich im alpinen Raum in absehbarer Zeit künstlich hergestelltes Fleisch durchsetzen wird. Es gibt ja stets ethisch-moralische, aber auch kulturelle Hürden, die solchen Entwicklungen im Weg stehen. In unserem Kulturraum ist eher Letzteres der Fall – Fleisch hat keine lange Tradition als Alltagsspeise. Anders als in vielen Weltregionen haben wir in Europa hinsichtlich Fleisch keinen Nachholbedarf, den man mit künstlichem Fleisch decken müsste.

Selbst wenn es von Tieren stammt, hat Fleisch einen zunehmend schweren Stand. Sie prognostizieren ein Zeitalter der Flexitarier, die sich hauptsächlich vegetarisch ernähren.

Wir haben den sogenannten Meat-Peak erreicht. In Europa nimmt der Fleischkonsum nicht weiter zu. Als Flexitarier verzichten wir zwar nicht auf Fleisch, stellen es aber auch nicht mehr ins Zentrum unserer Ernährung. Statt immer mehr Fleisch zu essen, geht es darum, besser zu essen. Wir hinterfragen die Art und Weise, wie unsere Nahrungsmittel produziert werden und wollen uns auch gesünder ernähren. Und wir achten mehr auf Herkunft und Qualität. Das tut uns gut – und unserer Umwelt auch.

Steckt dieser Bewusstseinswandel auch hinter dem Trend zu regional produzierten Nahrungsmitteln?

Auf jeden Fall. Regionale Produkte werden von den Konsumenten als gesünder und umweltverträglicher wahrgenommen. Im deutschsprachigen Europa, dessen Kulturraum ich primär erforsche, stellen wir fest, dass der Wunsch der Konsumenten nach einem nachhaltigen, verantwortungsvollen Lebensstil wächst. Regionale Produkte kommen diesem Wunsch entgegen.

Erfüllen Produkte aus der Region auch das Bedürfnis nach Kontrolle über die genaue Herkunft und Zusammensetzung unserer Nahrung?

Das auch, wobei ich glaube, dass dieser Faktor etwas überschätzt wird. Unsicherheit ist ein gutes Geschäft für die Politik und die Medien, da werden gewisse Ängste auch gezielt geschürt. Und weil wir in einer hochvernetzten Welt leben, kriegen wir jeden Skandal in Echtzeit mit. Dabei muss man nüchtern feststellen, dass die Lebensmittelsicherheit nie höher war als heute. Gleichzeitig macht uns die globale Vernetzung natürlich auch unsicher. Wenn wir im Supermarktregal eine Knoblauchzehe aus China entdecken, dann macht uns das schon ein wenig ratlos.

Es ist uns lieber, wenn der Bauer im Dorf sie geerntet hat ...

Oder jener im Nachbardorf. Jedenfalls erscheint es uns zunehmend absurd, dass wir Produkte, die in der eigenen Region produziert werden könnten, aus entfernten Winkeln der Welt importieren. Diese Auswüchse der Globalisierung haben den Trend zu regionalen Produkten weiter gestärkt.

(Fortsetzung weiter unten...)

Fühlt man nur bei uns so, oder ist Regionalität ein globaler Trend?

Das beobachten wir auf der ganzen Welt. In Thailand etwa, wo vor rund 25 Jahren die Fusionsküche begründet wurde, besinnt man sich heute wieder auf die Küche ethnischer Minderheiten, die ganz stark regional und sogar lokal geprägt ist. Und in den USA tauchten schon vor einigen Jahren die «locavores» auf, Verbraucher, die sich über den Konsum lokaler Produkte definieren.

Seit wann besinnt man sich bei uns wieder auf seine nähere Umgebung?

Auch schon seit ein paar Jahren. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als in Zürich das erste Lokal eröffnete, in dem ausschliesslich mit Schweizer Produkten gekocht wurde. Interessant ist ja, dass die regionale Küche schon durch die Nouvelle Cuisine in den Siebzigerjahren Auftrieb erhielt. Damals waren die Köche aber nur an den Rezepten und an regional unterschiedlichen Zubereitungsarten interessiert. Woher eine Zutat kam, war zweitrangig. Erst mit der Zeit hat sich diese Entwicklung auch auf die Produkte ausgedehnt.

Wird die Bedeutung regional produzierter Lebensmittel noch zunehmen?

Davon ist auszugehen, ja. Wir entwickeln ganz grundsätzlich ein neues Bewusstsein für das, was uns glücklich macht und uns guttut. Dafür, was Lebensqualität wirklich bedeutet. In Bezug auf die Ernährung heisst das, dass man die Geschichte eines Produkts kennt oder dessen Hersteller. Das Bedürfnis nach dieser neuen Form von alltäglichem Luxus wird weiter wachsen.

Sie propagieren Ernährungskompetenz ganz grundsätzlich als Lebenskompetenz. Warum?

Weil wir viel Zeit unseres Lebens damit verbringen, Nahrung zu beschaffen, zuzubereiten und aufzunehmen. Wer  sich besser und bewusster ernährt, hat mehr vom Leben. Es ist doch traurig, dass wir so ambivalent geworden sind, was unser Essen betrifft. Wenn wir schon im Überfluss leben, dann sollten wir ihn wenigstens bewusst geniessen und verantwortlich damit umgehen. Das setzt Ernährungskompetenz voraus.

Erfahre mehr über regionale Ernährung

Zum Dossier

von Lukas Hadorn,

veröffentlicht am 09.11.2016, angepasst am 08.01.2024


Das könnte dich interessieren:

Individuelles Gesundheitscoaching gewünscht?

Mehr lesen
mann-beim-trailrunning